Eine italienische Legende - Weihnachtshexe La Befana
Es war einmal eine alte Frau, die lebte allein in einem kleinen Häuschen auf dem Weg nach Bethlehem. Ihr Zuhause war ihr ganzer Stolz – jeden Tag fegte sie den Boden, polierte Tassen und Gläser, wischte Staub von den Regalen und brachte alles zum Glänzen. Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag, Samstag – selbst am Sonntag legte sie keine Pause ein. Von früh bis spät war sie mit Putzen beschäftigt, und abends fiel sie müde ins Bett. Nichts war ihr wichtiger als Ordnung und Sauberkeit.
Eines Tages klopfte es an ihrer Tür. Verärgert murmelte sie: „Wer stört mich denn zu dieser Stunde? Ich habe so viel zu tun!“ Doch als sie öffnete, blieb ihr der Mund offen stehen. Vor ihr standen drei prächtig gekleidete Männer, deren Mäntel mit Gold- und Silberstickereien verziert waren. In den Händen hielten sie kostbare Geschenke.
„Gute Frau“, sagten sie freundlich, „wir folgen einem Stern, der uns zu einem neugeborenen König führt. Komm mit uns – wir gehen zur Krippe des Jesuskindes.“
Doch die Alte schüttelte den Kopf. „Nein, nein“, sagte sie, „ich habe Wichtigeres zu tun – das Haus muss sauber bleiben.“ Und sie ließ die drei Männer ziehen.
Kaum waren sie verschwunden, da überkam sie das schlechte Gewissen. Was, wenn sie einen Fehler gemacht hatte? Was, wenn dieser König wirklich etwas Besonderes war? Eilig packte sie einen großen Sack: Mandeln, Nüsse, getrocknete Früchte, kleine Geschenke – alles, was sie finden konnte. Dann nahm sie ihren Besen, schulterte den Sack und machte sich auf den Weg.
Sie suchte am Himmel nach dem Stern – aber er war verschwunden. Sie rief: „Wo bist du, Stern? Zeig mir den Weg!“ Doch die Nacht blieb dunkel. So lief sie von Dorf zu Dorf, von Haus zu Haus, doch sie fand das Kind nicht mehr.
Seitdem, so erzählt man sich in Italien, zieht La Befana in der Nacht zum 6. Januar durch die Welt. Sie fliegt auf ihrem Besen über die Dächer, rutscht durch die Kamine und füllt die Schuhe der Kinder: Süßigkeiten für die braven, ein Stück Kohle für die ungezogenen. Und in jedem Kind sucht sie ein kleines bisschen das Jesuskind, das sie einst versäumt hat zu besuchen.